Institut für spirituelle Aus- und Weiterbildung stand
auf dem Schild über der Klingel, die ich jetzt drückte. Drinnen
erklang ein melodisches Omm, und gleich darauf wurde mir geöffnet.
Eine freundliche junge Dame bat mich herein.
Ich komme, um mich wegen des Postens als Meditationslehrer vorzustellen,
sagte ich.
Ah ja. Bitte folgen Sie mir, der Meister erwartet Sie.
Sie führte mich durch das Empfangszimmer und einen langen Gang hinunter.
An den Wänden hingen sparsam verteilt spirituelle Kunstwerke. Ich
blieb vor einem weißen Blatt Papier stehen, das in ein breites weißes
Passepartout gefasst vor der weißen Wand hing.
Es stammt von dem größten grönländischen Zen-Meister
und heißt Schneetreiben im Mondlicht , erklärte
sie mit ehrfurchtsvoller Stimme.
Beeindruckend, stimmte ich zu.
Möchten Sie einen kleinen Eindruck davon bekommen, was wir
an Kursen anbieten? fragte sie. Hier zum Beispiel haben wir
den Kurs Wolkentrommeln. Wie Sie sicher wissen, befreit hemmungsloses
Trommeln Körper und Geist von spiritueller Schlacke. Entspannung
durch Exstase, könnte man sagen.
Aus dem Raum drang kein Laut, deshalb dachte ich, die Tür wäre
schalldicht, aber als meine Begleiterin sie öffnete, blieb alles
still. Drinnen sah ich etwa zwanzig Menschen, die wie wild trommelten,
auf nun, auf nichts als der Luft vor ihnen.
Die Trommeln existieren nur im spirituellen Sinne, erklärte
sie, als sie die Tür wieder schloss.
Im selben Moment hörte ich aus dem Raum gegenüber einen unterdrückten
Schrei. Ein Mann riss die Tür auf, sah meine Führerin und rief
Pflaster! Ruhig zog sie ein Verbandspäckchen aus der
Tasche und reichte es ihm.
Das ist unser sehr beliebter Kurs Tischlern mit verbundenen
Augen , erklärte sie. Nebenan läuft Töpfern
mit gefesselten Händen, der ist vor allem bei Frauen gefragt.
Wir gingen weiter. An der übernächsten Tür blieb sie stehen,
öffnete sie aber nicht.
Ich möchte nicht stören, sagte sie, denn hier
unterrichtet ein großer japanischer Meister der anstrengungslosen
Anstrengung Zen ohne Sinn und Verstand. Aber das hier dürfte
Sie interessieren.
Sie öffnete die Tür gegenüber und zeigte mir einen großen
Raum mit Parkettfußboden, in dem eine Gruppe von Menschen Handstand
übte. Unser Kurs Auf Händen durch die Welt
die Perspektive wechseln.
Wir waren am Ende des Ganges angelangt, und sie führte mich in das
Büro des Meister. Er begrüßte mich freundlich und bat
mich Platz zu nehmen. Ich ließ mich im Lotussitz dreißig Zentimeter
über dem Sessel nieder.
Wie ich sehe, beherrschen Sie das transzendentale Schweben,
sagte er. Sehr schön. Aber seit das an der Volkshochschule
unterrichtet wird, haben wir solche Kurse nicht mehr im Angebot. Übrigens,
wo haben Sie das gelernt?
Bei Lama Dordsche Ling in Kathmandu.
Bei Dordsche Ling? Jeder zweite scheint bei dem Unterricht genommen
zu haben. Ich frage mich, wie der so viele Schüler gleichzeitig haben
kann, oder ob das eine Gruppe von Lamas ist, die diesen Namen benutzen.
Nein, das ist schon ein einzelner Mann. Weil er so gefragt ist,
hat er allerdings angefangen, sich per Astralprojektion zu vervielfachen,
um mehr Leute unterrichten zu können. Ich habe aber beim Original
gelernt, nicht bei einer der Kopien.
Aha. Er blätterte in meinen Bewerbungsunterlagen. Ihre
Referenzen sind ja sehr umfangreich. Vielleicht erzählen Sie mir
einfach, was Sie so anzubieten haben.
In letzter Zeit habe ich vor allem spirituelle Selbstverteidigung
unterrichtet. Das ist eine Methode, bei der die Schüler meditieren,
bis sie zu der Überzeugung kommen, dass ein Angriff auf sie vollkommen
unmöglich ist. Er runzelte die Stirn, und ich erklärte
weiter: Schließlich ist eine Verteidigung nicht dann vollkommen,
wenn man den Angreifer abwehrt, sondern wenn er von sich aus zu der Überzeugung
kommt, ein Angriff wäre absolut sinnlos, und aufgibt.
Man nennt das auch bluffen , meinte er etwas sarkastisch.
Ja, genau. Das ist der Weg des großen japanischen Kampfmönch-Meisters
Juwelenlotus. Als sein Orden vom damaligen Shogun verfolgt wurde, schaffte
Juwelenlotus es, diesen zu überzeugen, dass sein einziger wahrer
Feind dessen eigener linker Fuß war.
Ziemlich extrem. Ja, aber das passt in unser Konzept. Ich glaube,
Sie sind der richtige Mann für uns. Unterrichten Sie noch andere
Disziplinen?
Spinnenweben-Mandalas, spirituelles Toasten, Yakbutter-Massage und
Unterwasser-Meditation mit Klangschalen. Und Zen-Gehen. Ich gehe selbst
jeden Tag einige Kilometer, ohne dabei zu atmen.
Eine wirklich fortgeschrittene Technik. Sehr schön. Sie sind
engagiert, sagte er.
Ich freute mich schon auf die Arbeit an diesem Institut.
© P. Warmann