Der Teufel.

„Guten Morgen“, sagte die Stimme an meinem Ohr. Das weckte mich.
Ich überlegte. Wer konnte diese Worte gesprochen haben? Ich schlafe allein, außer mir war niemand in der Wohnung, einen sprechenden Wecker habe ich auch nicht – wer also? Ich machte die Augen auf. Da stand er: Ein Teufel, ohne Frage, in einem Anzug mit Weste, an meinen Kleiderschrank gelehnt, ein Teufel mit Hörnern und spitzzähnigem Grinsen.
„Was zur Hölle wollen Sie?“ grummelte ich.
„Sie sind ausgewählt worden, als einer der ersten von unserem unübertrefflichen neuen Angebot zu profititeren: Wir erfüllen Ihnen jeden Wunsch! Sprechen Sie ihn aus, und schon ist er Wirklichkeit! Möchten Sie Reichtum, Ruhm oder Ehre? Wären Sie gern Kaiser von Deutschland? Fehlt Ihnen das letzte Stück Ihrer Sammlung? Nur zu, wir helfen Ihnen!“
„Das ist ja schlimmer als Telefonmarketing.“ Ich schlug die Decke zurück und stand auf. Er grinste immer noch.
„Möchten Sie nicht von unserem Angebot Gebrauch machen?“
„Und was ist der Preis? Von euch gibt es doch nichts umsonst.“
„Nuun...“, sagte er gedehnt. „Eine Kleinigkeit müssen Sie schon dafür geben, aber es ist nicht der Rede wert. Nur Ihre Seele.“
Hatte ich es mir doch gedacht. „Kein Intresse“, verkündete ich.
Er zuckte mit den Schultern. „So schnell gebe ich nicht auf.“
Ich ließ ihn stehen und ging ins Bad. Er folgte mir.
„Müssen Sie mir beim Duschen zusehen?“ fragte ich leicht verärgert.
„Wünschen Sie, dass ich das Badezimmer verlasse?“
Ich machte den Mund auf und klappte ihn wieder zu. „Einen Moment. Wie kommt der Vertrag eigentlich zustande?“
„Sobald ich Ihren ersten Wunsch erfüllt habe, gilt er als unwiderruflich abgeschlossen.“
Ah ja. Ich sollte also besser aufpassen, was ich sagte.
Duschen, Zähne putzen, anziehen. Er blieb mir auf den Hacken. Ich versuchte ihn durch Schweigen zu entmutigen, aber es half nichts. Schließlich fragte ich: „Was wäre, wenn ich sagen würde: Fahren Sie zur Hölle?“
Sein Grinsen wurde breiter. „Diesen Wunsch würde ich Ihnen von Herzen gern erfüllen.“
Ich warf ihm einen bitterbösen Blick zu und ging in die Küche. Er kam mir natürlich nach. Ich fragte: „Sie sollten gemerkt haben, dass ich nicht interessiert bin. Warum verschwinden Sie also nicht?“
„Oh nein. Ich habe das Recht, meine Bemühungen 48 Stunden fortzusetzen. Solange werden Sie mich nicht los – es sei denn, Sie wünschen es...“
„Das Recht? Woher?“
„Steht alles im Kleingedruckten.“
Im Kleingedruckten also... Das brachte mich auf einen Gedanken. „Wie war das noch gleich: Sobald Sie meinen ersten Wunsch erfüllt haben, ist der Vertrag geschlossen? Und Sie müssen mir jeden Wunsch erfüllen?“
„So ist es.“
„Gut. Also dann: Ich wünsche... Ich wünsche wirklich, jemanden wie Sie hätte es nie gegeben.“
„Ah ... Nein ... Nicht das! Oh nein! Wenn ich ihn erfülle, hätte es mich nie gegeben, und ich hätte den Vorschlag nicht machen können, und wenn ich in nicht erfülle... Nein! NeinNeinNein! Neeeiiiiin!“
Er kreischte und jammerte, und dazu hatte er auch allen Grund. Vor ihm öffnete sich der Küchenfußboden. Dampf drang aus dem Spalt, Schwefelgeruch und tiefes Grollen. Tief unten flackerte es glutrot. Eine riesige Kralle tauchte auf, schwarz und mit furchtbaren Klauen, und packte sein Bein. Sie zerrte ihn in den Abgrund.
Über mir verschwand die Decke in hellem Licht, und ferne Engelchöre jubilierten. Mit einem letzten Wimmern wurde mein Besucher in den Spalt gezerrt. Der schloss sich, und auch das Licht verschwand.
Ich griff nach der Kaffeedose. Sie sollten sich endlich neue Spezialeffekte ausdenken, im Himmel wie in der Hölle, dachte ich. Wenn man sie das sechste Mal gesehen hat, werden sie langsam langweilig.

© P. Warmann