Im Cluster.

Ich stehe am Fenster und sehe den Nachtfliegern zu, die sich aus dem Baum fallen lassen und an mir vorbeisausen auf ihrer Jagd nach Flatterlingen und Schirmgleitern. Es ist der Anfang des Sommers, und sie haben Junge zu versorgen.
Das Gewitter ist vorüber, und die Wolken reißen auf. Noch ist der Himmel hell, und die riesigen Raumschiffhüllen glänzen im letzten Abendlicht. Sie türmen sich auf den Schrottplätzen, hochhausgroße leere Schalen, die auf ihre Wiederverwertung warten. Die letzten roten Reflexe verlöschen, als die Sonne hinter dem Horizont versinkt.
Nein, nicht die Sonne, nicht die, um die die Erde kreist. Die ist einen drittel Galaxisdurchmesser von hier entfernt. Dies ist Vix, die Stadt der Schrottplätze, an der Mündung des Golfs von Dyan in das große Westmeer, auf Edna, einem der 18 bewohnten Planeten des Clusters, eines alten offenen Sternhaufens am Rande der großen Cluster-Dunkelwolke. Die Cluster-Planeten sind die wichtigste Kolonie der Menschen in dieser Ecke der Galaxis, günstig gelegen an einer Stelle, wo sich die Handelrouten bündeln, weil sie dem Dunkelwolken-Komplex ausweichen müssen. Selbst beim Antriebslosen Reisen müssen die Schiffe auf das Universum der Materie Rücksicht nehmen.

Ich sehe hinaus auf den Baum, wo die Nachtflieger ihre Jungen an die Äste geklebt haben. Obwohl man den Begriff ‘Baum’ schon ziemlich dehnen muss, damit er dieses Gewächs umfasst, dessen Stamm aus Dutzenden von dünnen Stängeln besteht, die sich umeinander winden und oben zu einer Krone ausbreiten. Er trägt keine Blätter, nur fingerlange dreikantige Dornen, und seine Rinde löst sich ständig in weichen braunen Staub auf. Aber er ist einige Meter hoch und hat einen einzelnen geraden Stamm, also nennen wir Menschen ihn einen Baum.
Aber dennoch, denke ich, während ein Nachtflieger an mir vorbeisaust auf seinen vier sichelförmigen Flügeln und ich die Luft in seinen Steuerschuppen leise zwitschern höre, ist dies ein sehr fremdartiger Ort. Wir haben einen langen Weg hinter uns auf unserem Weg von der Erde hierher.
Seit vor gut dreihundert Jahren ein vom Kurs abgekommenes Handelsschiff der Lia über die Erde stolperte und uns, wie es die Regeln des galaktischen Zusammenlebens gebieten, die Pläne für den Energielosen Antrieb überließ, haben sich die Menschen in drei großen Wellen über die Milchstraße ausgebreitet. In der ersten davon wurde nur ein gutes Dutzend Kolonien gegründet, von denen alle bis auf zwei noch bestehen und unsere wichtigsten Stützpunkte im All sind. In der zweiten Welle wurden dann in nur dreißig Jahren mehr als hundert neue Planeten besiedelt, getrieben von mehr Enthusiasmus als Planung und mit dem Ergebnis, dass davon nur knapp zwanzig heute noch existieren. Zur Zeit der dritten Welle schließlich, in der auch die Cluster-Kolonien gegründet wurden, hatten wir aus unseren Fehlern gelernt und wusste, was die Grundlagen für eine erfolgreiche Gründung sein mussten. Und so sind die Cluster-Planeten seit zweihundert Jahren von Menschen bewohnt, wohlhabend und stabil, eingebunden in das galaktische Handelsnetz, unsere Orbitalstationen versorgen die durchreisenden Schiffe, und der Cluster baut Raumschiffe und zerlegt sie auch wieder, wenn sie das Ende ihrer Nutzungszeit erreicht haben.
Man lebt hier gut. Ich bin hier geboren, in Vix, dies ist mein Elternhaus, obwohl ich nicht mehr hier lebe, ich bin jetzt Buchhalter in Dyan oben am Kopf des Golfes. Aber ich bin hier aufgewachsen, in Sichtweite der Schrottplätze, die größer sind als die ganze Stadt Vix. Die Erde werde ich nie sehen.

Es ist schon seltsam: Von den über vierzig raumfahrenden Spezies, die die galaktische Gemeinschaft bilden, sind die Menschen die einzigen, wirklich die einzigen, die Kolonien gegründet haben. Niemand sonst würde in Betracht ziehen, seinen Heimatplaneten auf Dauer zu verlassen. Auf einem Schiff durch den Raum zu gondeln oder einige Jahre auf einer Orbitalstation zu verbringen, auf einer planetaren Forschungsstation oder auf dem Planeten einer anderen Spezies als Vertreter eines Handelshauses oder der eigenen Regierung, durchaus, ja. Aber niemand würde sich je auf einem anderen Planeten wirklich niederlassen, dort leben und Kinder bekommen und sie aufziehen und nicht, niemals, wieder auf den Heimatplaneten zurückkehren. Die Menschen haben genau das getan.
Ich denke, es liegt daran, dass unsere Spezies auf einem Planeten entstanden ist, der eigentlich für die Besiedelung durch Menschen kaum geeignet ist. Weniger als zehn Prozent der Oberfläche der Erde sind für Menschen wirklich komfortabel bewohnbar. Drei Viertel sind Ozeane, im Süden ist ein Kontinent ganz von Eis bedeckt, dazu kommen riesige Wüsten, endlose Wälder auf dauernd gefrorenem Boden, und Gebirge überall. Es ist ein alter Witz, dass nach den 'Regeln für eine erfolgreiche Kolonisierung' die Erde nie für eine Besiedelung in Frage kommen würde.
Und selbst dort auf der Erde, wo das Leben für Menschen ganz angenehm sein könnte, wüten Stürme und Erdbeben, trocknen Flüsse aus und explodieren Vulkane. Heimat war für uns Menschen immer der Ort, an dem es sich leben ließ – bis er von einer Flutwelle weggewaschen, von einem Erdbeben zerschmettert oder unter glühender Asche begraben wurde. Dann mussten wir weiterziehen und uns einen neuen Ort suchen. Und zudem war da immer die Frage, ob es sich hinter dem Horizont nicht besser leben ließe. Jetzt reicht der Horizont bis an den Rand der Galaxis.

Aber die Erde haben wir für immer hinter uns gelassen. Nicht in unseren Köpfen: Wir lesen immer noch die alten Geschichten und sehen Filme, die auf der Erde spielen, alte wie neue. Wir haben ihre Geschichte und Kultur mit uns in den Raum genommen, wir lehren sie an den Schulen und geben Orten auf fremden Planeten die alten Namen.
Die Erde ist immer in unseren Gedanken. Wir alle haben schon einen Sonnenuntergang auf Hawaii virtuell erlebt oder sind so über die ziehenden Herden der Serengeti geflogen.
Ich habe als Kind kleine 3D-Modelle von Angkor und Stonehenge auf meinem Display aufgerufen, und später bin ich im Museum durch lebensgroße Projektionen der Pyramiden und der Kathedrale von Chartres gewandelt. Aber mit eigenen Augen sehen werde ich das nie.
Wir haben uns entschieden, den Zugang zur Erde extrem zu beschränken – man kommt nur dorthin, wenn man eingeladen wird oder einen der wenigen Besucherpässe erhält, und die kann man nicht kaufen, sie werden verlost, damit alle die gleiche Chance haben. Und niemand, der sich einmal außerhalb der Erde niedergelassen hat, darf auf Dauer dorthin zurückkehren.
Wir haben das entschieden, damit die Erde das bleiben kann, was sie in unseren Herzen ist: ein Ort, an dem immer noch Menschen ganz normale Leben führen, arbeiten, Kinder aufziehen, sterben und begraben werden. Inzwischen leben viermal so viele Menschen auf anderen Planeten wie auf der Erde selbst, und wenn sie alle als Touristen ungehemmt die Erde überrennen dürften, dann würde sie sich in ein bewohntes Museum verwandeln, mit einer mumifizierten Kultur, die nur noch gepflegt würde, um sie den Touristen vorzuführen, jeder Einheimische ein Darsteller von Brauchtum in seinem eigenen Leben. Dann hätten wir unsere ursprüngliche Heimat endgültig verloren, und das wäre nicht zu ertragen.

Von drüben von den Schrottplätzen kommt ein Ächzen, der Schrei von verformtem Metall. Es hallt herüber durch den dunkler werdenden Abend wie eine unirdische Stimme und verklingt in einem langsamen Stöhnen und dem Prasseln fallender Trümmern.
Gina erscheint neben mir, meine Freundin, die mich nach Vix begleitet hat, zur Hochzeit meiner Schwester übrigens. Sie packt mich am Arm und fragt, was das war, und klingt ein wenig besorgt.
Nur fallender Schrott, erkläre ich ihr: Der Regen nach der langen Frühjahrstrockenheit hat den Schrott ins Rutschen gebracht, und das Wasser, das sich in den leeren Hüllen sammelt, verlagert ihren Schwerpunkt. Dies wird nicht die einzige Rutschung bleiben in dieser Nacht.
Als Kind habe ich in vielen Sommernächten hier in meinem Bett gelegen und erst den Gewittern gelauscht, die vom Golf herüberzogen, und dann den Stimmen der Schrottplätze. Es ist wie Musik. Ich habe die Stimmen der Nacht vermisst, als ich nach Dyan gezogen bin.

Ich betrachte die hochhaushohen Schrottberge, die überall in Vix den Horizont bilden. Die Menschen bauen – und verschrotten – die Schiffe für die ganze galaktische Gemeinschaft. Es hat sich einfach so ergeben.
Als wir die Pläne und die Bauanleitungen für den Energielosen Antrieb bekommen hatten und das Prinzip dahinter verstanden und unsere Physikbücher entsprechend umgeschrieben hatten, bauten die Menschen ihre ersten Schiffe. Wir machten uns keine Hoffnungen, da draußen jemals mehr zu sein als unbedeutende Randfiguren – was hatten wir schon zu bieten? Einen ausgelaugten Planeten, dessen Rohstoffe schon alle gefunden, genutzt, verbraucht oder hundertmal recycelt worden waren. Da draußen, im galaktischen Handel mit Spezies, die zum Teil schon seit zweitausend Jahren Raumfahrt betrieben, hatten wir überhaupt nichts anzubieten – dachten wir. Wie sich herausstellen sollte, waren wir statt dessen eine der reichsten Spezies im Universum.
Hier draußen handelt praktisch niemand mit Rohstoffen. Wenn der nächste Planet mit ausbeutbaren Vorkommen immer nur einen kurzen und billigen Antriebslosen Flug entfernt ist, muss man Rohstoffe nicht kaufen – man kann sie sich einfach holen. Die Galaxis handelt mit anderen Dingen: mit Konzepten, mit technischen Verfahren, mit Lösungen für praktische Probleme. Manchmal auch mit Kunstwerken, mit Dienstleistungen oder mit exklusiven, schwer herstellbaren Produkten, die so viel Spezialwissen erfordern, dass es einfacher ist, sie fertig zu kaufen. Aber im galaktischen Handelsnetz verkauft niemand Maschinen, sondern Bauanleitungen dafür, und keine Lacke, sondern das Prinzip ‘Oberflächen lackieren, um sie zu schützen’, und kassiert dafür Lizenzgebühren.
Und die Menschen, gebunden an einen kaum bewohnbaren Planeten, hatten lernen müssen, alles zu nutzen, was ihnen unter die Finger kam, und in allem eine Ressource zu sehen, die irgend einen Zweck erfüllen konnte, man musste nur herausfinden, welchen. Andere Spezies konnten sich den Luxus leisten, ein Problem als ‘unmöglich’ zur Seite zu legen – die Menschen mussten es lösen, wenn sie überleben wollten.
Es stellte sich heraus, dass die Menschen für fast jedes praktische Problem im Universum schon eine Lösung in der Schublade hatten, weil sie es irgendwann für sich selbst hatten lösen müssen. Für die wenigen, für die sie keine Lösung parat hatten, kannten sie zumindest eine Strategie, wie man es lösen könnte.
Damals entstand der Spruch, dass es drei Grade der Unmöglichkeit gibt:
‘unmöglich’: frage die Menschen, und sie antworten: „Nein, natürlich geht das, und zwar so.“
‘völlig unmöglich’: das sind Probleme, bei denen die Menschen antworten: „Hm, knifflig, aber es sollte zu machen sein, und zwar so; gib uns ein halbes Jahr, damit wir das ausarbeiten können.“
und schließlich ‘wirklich unmöglich’: „Die Menschen sagen auch, das geht nicht.“
Um das zu illustrieren, stellt man an nichtmenschlichen Universitäten gerne die Aufgabe, in einer tief verschneiten Landschaft bei Temperaturen weit unter Null eine beheizbare Unterkunft zu bauen – ohne Steine als Ressourcen, ohne Holz, nur mit bloßen Händen und Werkzeugen aus Knochen. Und wenn die Studenten das dann als völlig unmöglich abgetan haben, zeigt man ihnen einen Film von Menschen, die ein Iglu bauen.
Jede, wirklich jede andere Spezies hätte die Polargebiete der Erde schlicht als unbewohnbar eingestuft. Die Menschen haben sie besiedelt.
So lösen wir also die Probleme des Universums und kassieren Lizenzgebühren dafür, und wenn wir die Lizenz für ein technisches Verfahren erwerben, dann verbessern wir es und kassieren auch dafür Lizenzgebühren, und außerdem entwickeln wir Dinge für andere und kassieren ... genau. Zum Beispiel Brücken, oder Kaltwasser-Oberflächen-Trombenzieher (fragen Sie mich nicht, was das ist, fragen Sie die Balakan, für die wir die Dinger bauen) oder eben Raumschiffe. Es waren die Menschen, die auf die Idee kamen, Schiffe nach einem Standardplan zu bauen und nur die Innenausstattung an die jeweilige Spezies anzupassen. Verbesserte Recyclingmethoden fielen dabei auch gleich mit ab.

Von den Schrottplätzen hallen metallische Schläge herüber, näher jetzt, und ich erkläre Gina, dass sie einen der Kräne rübergeschickt haben, damit er Schrottteile, die abzurutschen drohen, gezielt zum Absturz bringt. Dann beginnt ein Stöhnen, langsam, aber es schwillt an, wird zu einem Ächzen, dann zu einem Dröhnen, tief und laut, als etwas wirklich Großes in Bewegung gerät. „Da!“ ruft Gina und zeigt in die Nacht, wo sich etwas bewegt, gerade noch zu erkennen vor dem dunkler werdenden Himmel, etwas wie ein riesiger Fisch, der aus dem Wasser aufsteigt und sich aufbäumt und dreht. Eine Schiffshülle, eine von den wirklich großen, die für den tiefen Raum gebaut werden, kippt ab und verlagert sich, begräbt anderen Schrott unter sich und zermalmt ihn, und die brechenden Hüllen kreischen und stöhnen.
Gina klammert sich an mich, und ich lege meinen Arm um sie und erkläre ihr, dass das nicht gefährlich ist: Rund um die Schrottplätze ist eine breite Sicherheitszone, und dort draußen ist heute Nacht niemand, nur leere Hüllen und ferngesteuerte Kräne. Trotzdem, ich habe nur selten erlebt, dass etwas so Großes abrutscht, und so nahe. Noch minutenlang hören wir Trümmer nachbrechen und hinunterkrachen.
Nein, denke ich, dort draußen ist in dieser Nacht niemand, obwohl es natürlich nicht verboten ist. Im Cluster ist nur verboten, was andere in Gefahr bringt – wenn jemand sein eigenes Leben riskieren möchte, ist das allein seine Sache. Wir machen hier niemandem moralische Vorschriften: Fast alle Drogen können legal verkauft werden, wenn man sich nur an die Reinheitsvorschriften hält, und mit anderen Dingen verhält es sich genauso. Es wird davor gewarnt, ja, aber dann darf jeder Erwachsene selbst entscheiden, wie er sein Leben lebt. Mit dem interessanten Ergebnis, dass sowohl Drogensucht wie schwere Unfälle auf dem Cluster ausgesprochen selten sind.
Aber natürlich gibt es immer wieder Menschen, die zu viel riskieren. Und natürlich sind mein Bruder und ich über die Schrottplätze gekrochen, nicht in Nächten wie dieser, aber in ruhigeren Zeiten, immer auf der Suche nach dem großen Fund, der uns reich machen würde. Wir haben ihn nie gefunden, nur Kleinigkeiten, mit denen wir unser Taschengeld aufgebessert haben, aber wir haben es immer wieder versucht. Außerdem war es zu spannend da draußen.

Menschen sind so. Gefahren bedeuten für uns nicht dasselbe wie für die anderen Spezies. Alle anderen denkenden Wesen da draußen würden niemals etwas unternehmen, wobei einer von ihnen ernsthaft zu Schaden kommen könnte. Sie lassen es einfach.
Wenn dann wieder einmal eine unserer wissenschaftlichen Expeditionen auf einem unerforschten Planeten verschollen bleibt oder ein Erdbeben eine Siedlung in Trümmer lagt, dann schlagen die Anderen die Hände über dem Kopf zusammen (oder was sie statt Händen und einem Kopf eben so haben) und fragen uns, wie wir die Gefahren nur übersehen konnten. Wir hätten sie durchaus erkannt, erklären wir dann, aber... Und murmrln etwas von Risiko-Chancen-Abwägung und bestmöglicher Vorbereitung und und dass es völlige Sicherheit nie geben könne, aber in Wirklichkeit meinen wir etwas ganz anderes.
Wir haben uns auf einem Planeten entwickelt, der Vorsicht nie belohnt hat. Auf der Erde konnten wir nie an einen sicheren Ort ausweichen, denn der war nur auf eine andere Art unsicher, und außerdem saßen dort schon andere. Wenn das Land am Fuße des Vulkans fruchtbar war, dann haben wir uns dort niedergelassen, und wenn der Berg grollte, haben wir gehofft, dass die Katastrophe nicht kam oder zumindest nicht uns traf. Wenn sie dann doch kam, haben wir versucht, sie zu überleben, und danach alles wieder aufgebaut.
Wenn es eine Eigenschaft gibt, die die Menschen definiert, dann ist es unsere Neugier. Wir schätzen Entdecker, Forscher und Erfinder, und der erste Mensch auf dem Gipfel ist ein Held, umso mehr, wenn er auf dem Rückweg umkommt. Es geht nicht um Sinn oder Nutzen, und was das Risiko angeht, so reicht es, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass wir es überleben könnten. Und wenn uns dann doch die Trümmer um die Ohren fliegen, Dann geben wir zu, dass wir diese Runde verloren haben, und nehmen die Karten für die nächste Runde wieder auf.
Wir Menschen sind Spieler, aber das sind alle intelligenten Wesen. Spiele waren unter den ersten Ideen, die zwischen den Menschen und den anderen Spezies ausgetauscht wurden, und das in beide Richtungen. Go ist ganz sicher das meistgespielte Spiel in der Galaxis, und andererseits haben die Menschen bewiesen, dass man keine sechs Gehirne braucht, um im Triangulum Erfolg zu haben. Letztens habe ich gelesen, dass wir allein mit den Lizenzgebühren für Fang-den-Hut die gesamten Andockkosten für menschliche Schiffe an allen nichtmenschlichen Orbitalstationen bezahlen können.
Aber es gibt ein Spiel der Menschen, das keine andere Spezies spielen kann; die meisten können das Prinzip nicht einmal begreifen. Dieses Spiel ist Poker.
Oh, das Grundprinzip der Kartenkombinationen von verschiedenem Wert ist ihnen sofort einsichtig. Was sie nicht verstehen, ist, dass man mit schlechten Karten nicht einfach verliert oder mit einer überlegenen Strategie aus einer schlechten Kombination eine gute machen kann, sondern dass es ausschließlich darum geht, den anderen glauben zu machen, man hätte bessere Karten als er, damit er aufgibt.
Wir haben eine lange Partie Poker mit dem Universum gespielt, denke ich, und alles, was wir auf der Hand hatten, war ein lumpiges Paar Sechsen. Wir haben mitgehalten und den Einsatz erhöht, immer wieder, weit über das hinaus, was wir uns leisten konnten, und am Ende war es das Universum, das die Nerven verloren und uns die Chips hingeschmissen hat. Wir hätten alles verlieren können, statt dessen haben wir alles gewonnen: einen Platz im Universum, den wir weder verdient noch uns erarbeitet haben. Wir hatten Glück.

Draußen ist es jetzt ganz dunkel, und in den Pfützen und Tümpeln rund um die Schrottplätze beginnen die Wassergompen mit ihren Rufen – es klingt, als ob jemand in eine Tuba hustet. Gina lacht, als ein Nachtflieger vorbeisirrt und sich vor ihrer Nase einen Flatterling schnappt. Ich sehe nach oben, in den Nachthimmel, wo man das Glühen der Gasnebel am Rande der großen Dunkelwolke erkennen kann.
Wir sind einen weiten Weg hierher gekommen, denke ich, als ich Gina in meine Arme nehme und küsse, und wohin hat es uns gebracht? So, wie es sich anfühlt, nach hause, seltsamerweise.


© P. Warmann