Es war einmal ein Mädchen von elf Jahren, das von niemandem Rotkäppchen
genannt wurde außer von seiner Großmutter. Die rote Baskenmütze
allerdings, die die Großmutter dem Mädchen geschenkt hatte,
trug dieses gern. So auch an diesem schönen Herbsttag, als sich Rotkäppchen
mit einem Körbchen voller Mitbringsel auf den Weg zur Großmutter
machte.
Das war eine ziemlich zeitaufwändige Sache, denn das Mädchen
musste zuerst mit der Straßenbahn bis zur Endhaltestelle fahren,
was eine gute halbe Stunde dauerte, und dann noch zwanzig Minuten durch
den Wald gehen, bis es das kleine Haus erreicht hatte, wo die Großmutter
lebte. Das Haus stand ganz allein auf einer Lichtung, umgeben von hohen
Bäumen, denn dort, wo der Garten der alten Frau endete, begann der
Naturpark Finsterwald.
Rotkäppchen konnte das Haus schon vor sich liegen sehen, ein kleines
Fachwerkhaus mit ein wenig schiefem Dachfirst, das wie das Haus einer
Hexe hätte aussehen können, wenn nicht die Rosen gewesen wären,
die es überrankten, und die Blumen im Garten davor. Die Astern blühten
noch.
Während Rotkäppchen weiterging, trat plötzlich ein Jäger
aus einem Seitenweg, schick gekleidet in tannengrünen Loden und mit
einem Gewehr über der Schulter.
Guten Morgen, kleines Mädchen, sagte er. Gehst
du deine Großmutter besuchen? Sei besser vorsichtig, wenn du so
alleine durch den Wald spazierst: Hier treibt sich der große böse
Wolf herum.
Wirklich? fragte Rotkäppchen etwas verwundert, denn natürlich
wusste sie, dass es im Naturpark Wölfe gab, aber gewöhnlich
wagten sie sich nicht in die Nähe der Menschen.
Oh ja, sagte der Jäger, überall auf dem Weg
finden sich seine Spuren. Hier zum Beispiel, sieh mal. Er zeigte
auf den Waldweg, und Rotkäppchen sah etwas, das durchaus eine Wolfsspur
sein mochte. Vielleicht war es aber auch nur ein sehr großer Hund
gewesen, dachte sie.
Ich habe auch deine Großmutter gewarnt, fuhr der Jäger
fort, oder besser, ich wollte es, aber sie war nicht zu Hause. Hat
sie dich nicht erwartet?
Doch, sagte Rotkäppchen und war verwundert und sogar
etwas beunruhigt, denn sie hatte noch am Vortag mit ihrer Großmutter
telefoniert und ihren Besuch angekündigt.
Oh, sagte der Jäger besorgt, das klingt aber gar
nicht gut. Deine Großmutter ist verschwunden, hier treibt sich der
große böse Wolf herum ... ich will hier ja nicht unnötig
Panik machen, aber man könnte fast meinen, er hat sie gefressen.
Aber Wölfe fressen doch keine Menschen! sagte Rotkäppchen
erschrocken. Sie wusste das, weil sie regelmäßig Tiersendungen
im Fernsehen sah.
Wir reden hier vom großen bösen Wolf, sagte der
Jäger ernst, da kann man nie wissen. Dann verabschiedete
er sich und ging weiter.
Als Rotkäppchen am Haus der Großmutter ankam, war sie ziemlich besorgt. Und sie wurde noch besorgter, denn niemand öffnete die Tür, niemand antwortete auf ihr Klopfen. Rotkäppchen versuchte die Eingangstür zu öffnen, aber offensichtlich war sie abgeschlossen. Daher ging sie um das Haus und sah durch alle Fenster. Drinnen sah alles aus wie immer, nur die Großmutter war nirgendwo. Auf dem Küchentisch standen zwei Gläser mit Blaubeermarmelade und zwei mit eingelegten Pilzen, und Rotkäppchen wusste, dass sie diese mit nach Hause nehmen sollte. Die Großmutter hatte also alles für Rotkäppchens Besuch vorbereitet ... aber wo war sie nur?
Die nächste halbe Stunde verbrachte das Mädchen damit, seine Großmutter zu suchen, im Garten und im Wald hinter dem Haus. Schließlich ging sie immer weiter in den tiefen Finsterwald hinein, denn sie sagte sich: Vielleicht ist meine Großmutter ja noch einmal Pilze sammeln gegangen oder Blaubeeren pflücken und hat sich dabei den Fuß verknackst und kann nicht mehr laufen. Dann muss ich sie finden.
Und so ging Rotkäppchen durch den Wald und rief laut nach ihrer
Großmutter. Sie war gerade zu einer kleinen Lichtung gekommen und
rief laut in die Runde: Großmutter! Oma! Bist du hier irgendwo?
als eine knurrige Stimme hinter ihr sagte: Was grölst du hier
so laut im Wald herum?
Rotkäppchen drehte sich um, und da stand er direkt vor ihr: der große
böse Wolf. Das heißt, ein Wolf war es ganz bestimmt, groß
war er auch, er reichte Rotkäppchen bis zur Schulter, besonders böse
sah er allerdings nicht aus. Höchstens etwas grummelig.
Äh, sagte Rotkäppchen, ich habe nach meiner
Großmutter gerufen. Vielleicht kennst du sie sie wohnt in
dem Haus am Waldrand.
Ja, ich weiß, wen du meinst, sagte der Wolf. Ich
treffe sie manchmal im Wald. Sie geht mir aus dem Weg und ich ihr.
Ja, und jetzt ist sie verschwunden, erklärte Rotkäppchen.
Ich dachte, vielleicht ist sie im Wald und hat sich den Fuß
verletzt und kann nicht mehr laufen, deshalb suche ich sie...
In meinem Wald ist sie nicht, sagte der Wolf bestimmt.
In meinem Wald ist im Augenblick überhaupt kein Mensch
außer dir. Glaube mir, ich wüsste es.
Rotkäppchen glaubte ihm, wurde dadurch aber eher noch besorgter.
Ja, aber wo ist sie dann? fragte sie.
Der Wolf zuckte mit den Schultern, oder damit, was ein Wolf anstelle von
Schultern hat.
Äh, ich habe vorhin einen Jäger getroffen, sagte
Rotkäppchen vorsichtig, und der meinte, eventuell könnte
ein Wolf sie gefressen haben...
Der Wolf knurrte, und Rotkäppchen machte erschrocken einen Schritt
zurück.
Wölfe fressen keine Menschen, sagte er erbost. Menschen
sind kein Wild! Nicht einmal aus Hunger würden wir einen Menschen
angreifen, und Hunger haben wir jetzt ganz bestimmt nicht. Erst gestern
hatten wir einen schönen Hirsch, zweijährig das war ein
Festmahl für das ganze Rudel. Er leckte sich genießerisch
die Lippen.
Rotkäppchen fand den Gedanken daran, dass die Wölfe einen Hirsch
fraßen und auch noch roh! , ziemlich grausig, aber
dann dachte sie nach und meinte: Na ja, Hirschbraten mag ich auch,
und Wildschweinschinken...
Ah, Wildschwein! sagte der Wolf träumerisch. Ja,
das ist wirklich was ganz Feines, aber die sind gefährlich. Meinem
Bruder hat so eine verdammte Bache das Bein aufgeschlitzt, ganz bis zur
Hüfte, und wir dachten schon, wir verlieren ihn, aber dann ist es
doch noch geheilt. Er hinkt ein wenig, wenn das Wetter kalt ist, aber
deshalb ist er doch der beste Fährtensucher, den wir je hatten...
Aber Menschen sind kein Wild. Waren sie nie und sind sie jetzt noch weniger.
Ich will dich nicht beleidigen, aber bei dem Zeug, das ihr esst, und bei
dem, was ihr sonst noch so aufnehmt, gehört euer Körper eigentlich
auf die Sondermülldeponie.
Ja, aber könnte es nicht ein fremder Wolf gewesen sein?
fragte Rotkäppchen. Einer, der hier nicht hingehört und
der vielleicht nicht ganz normal ist?
Ein Irrer? Einer, der sich zu viel mit Hunden herumtreibt? Möglich
ist das schon wir haben genauso unsere Verrückten wie ihr.
Aber so einen gibt es hier nicht, das wüsste ich. Und wenn so einer
hier auftauchen würde, dann würden wir das unter uns regeln.
Denn Naturpark hin, Artenschutz her, wenn ein Wolf Menschen angreift,
ist keiner von uns mehr seines Lebens sicher.
Nein, ich kann dir nicht helfen, sagte der Wolf und schüttelte
den Kopf. Ich weiß wirklich nicht, was aus deiner Großmutter
geworden ist.
Rotkäppchen bedankte sich bei ihm und ging den Weg wieder zurück.
Als sie zum Haus zurückkam, war ihre Großmutter immer noch
nicht dort. Alles war still, weder Mensch noch Tier ließ sich blicken,
und weil Rotkäppchen nicht wusste, was sie sonst tun sollte, machte
sie sich auf den Weg zurück zur Straßenbahn.
Sie war schon fast dort angekommen, als plötzlich ihr Handy klingelte.
Sie zog es aus dem Körbchen und sah, dass der Anruf von ihrer Großmutter
kam. Erstaunt, aber vor allem erleichtert nahm sie den Anruf entgegen.
Rotkäppchen, sagte die Stimme am anderen Ende, wie
gut, dass ich dich noch erwische. Es ist etwas ganz merkwürdiges
geschehen! Komm bitte schnell zurück, ich brauche deine Hilfe.
Ja, Oma, natürlich, sagte Rotkäppchen aufgeregt,
aber was ist denn eigentlich los? Und warum klingt deine Stimme
so komisch?
Aber von der anderen Seite kam keine Antwort, und dann wurde der Hörer
aufgelegt.
Eher noch besorgter als zuvor machte Rotkäppchen sich auf den Weg
zurück zum Haus. Sie überlegte gerade, ob sie nicht besser zu
Hause bei ihren Eltern anrufen sollte, als ein Geländewagen sie von
hinten überholte. Darin saß der Jäger, der sie vor dem
großen bösen Wolf gewarnt hatte.
Was ist denn mit dir los, kleines Mädchen? fragte er.
Rotkäppchen erzählte ihm von ihrer vergeblichen Suche nach der
Großmutter und dem seltsamen Anruf das Treffen mit dem Wolf
ließ sie allerdings weg. Der Jäger hörte zu und sagte
dann besorgt: Steig ein. Wir fahren zu deiner Großmutter und
sehen nach, was dort los ist.
Dort angekommen wirkte noch immer alles still und verlassen. Sie klopften
an der Tür, aber niemand öffnete. Der Jäger probierte die
Klinke, und die Tür ging auf sie war nicht mehr abgeschlossen.
Sie gingen hinein und riefen nach der Großmutter, aber niemand antwortete.
Keine Großmutter, nirgendwo, nicht im Wohnzimmer und nicht in der
Küche. Als sie aber ins Schlafzimmer kamen, da lag jemand
im Bett. Aber nicht die Großmutter: Nein, im Bett lag der große
böse Wolf, mit dem Kopf auf dem Kissen und säuberlich zugedeckt,
und schlief.
Rotkäppchen war einfach nur total verblüfft und starrte auf
den Wolf den, den sie im Wald getroffen hatte und konnte
nicht glauben, was sie sah. Aber der Jäger packte sie am Arm und
zerrte sie aus dem Zimmer und über den Flur und aus dem Haus. Dann
erst ließ er sie los und stammelte atemlos: Oh, wie furchtbar!
Ich hole jetzt sofort mein Gewehr und dann erlege ich diese furchtbare
Bestie, und wie schrecklich, dass du das alles erleben musstest, aber
jetzt kümmere ich mich darum, und du musst keine Angst haben...
Wieso sollte ich Angst haben? fragte Rotkäppchen. Was
ist hier überhaupt los?
Ja, siehst du das denn nicht? Es ist doch offensichtlich! Der große
böse Wolf hat deine Großmutter gefressen, und jetzt liegt er
da, vollgefressen und satt, und schläft! Wir müssen ihn erschießen,
sofort, bevor er aufwacht!
Das glaube ich nicht, sagte Rotkäppchen. Wölfe
machen so etwas nicht. Sie fressen keine Menschen, und ganz bestimmt legen
sie sich nicht so in ein Bett. Und überhaupt, wenn er sie gefressen
hat, warum gibt es dann nirgendwo Blut? Und wer hat mich angerufen? Das
ist alles wirklich seltsam. Ich glaube, am besten rufen wir die Polizei.
Sie wollte nach ihren Handy greifen, aber ihr fiel ein, das dies im Körbchen
war, und das Körbchen lag im Geländewagen. Und noch bevor sie
irgend etwas sonst machen konnte, versetzte ihr der Jäger einen Stoß,
so dass sie über die Schwelle in den Hausflur taumelte, und dann
fiel die Tür hinter ihr zu und sie hörte, wie der Schlüssel
im Schloss umgedreht wurde.
Eingeschlossen, dachte Rotkäppchen. Was ging hier vor?
Sie verstand es nicht, aber eines war klar: Der Bösewicht war offensichtlich
der Jäger. Was jetzt? Telefonieren? Aber als sie das Telefon ihrer
Großmutter benutzen wollte, stellte sie fest, dass es verschwunden
war. Sie konnte nicht telefonieren, sie konnte nicht raus, denn draußen
war der Jäger, und er hatte ein Gewehr. Was sollte sie tun? Wer konnte
ihr helfen? Und dann fiel ihr jemand ein, der es vielleicht konnte.
Sie ging ins Schlafzimmer und versuchte den Wolf zu wecken. Sie rüttelte
ihn und schrie ihm ins Ohr, aber er wurde nicht wach. Verzweifelt zog
sie ihm die Decke weg, und da bemerkte sie, dass in seiner Flanke etwas
steckte, etwas wie eine Spritze mit einem roten Puschel am Ende. Sie zog
sie heraus, und der Wolf stöhnte und bewegte sich ein wenig.
Rotkäppchen holte ein Glas kaltes Wasser aus dem Badezimmer und goss
es ihm über den Kopf. Das half. Der Wolf stöhnte, ruckte hoch,
fiel aus dem Bett, und das brachte ihn endgültig zu sich. Er kam
auf die Beine, taumelte etwas, stöhnte, und dann sagte er etwas,
allerdings auf Wölfisch, was Rotkäppchen nicht verstand. Er
schüttelte den Kopf, öffnete die Augen richtig und sah sie an.
Dann sagte er menschenverständlich: Wo bin ich? Was ist hier
eigentlich los? Rotkäppchen erklärte ihm die ganze Geschichte.
Harrr! rief der Wolf. Sie haben mit einem Betäubungsgewehr
auf mich geschossen. Was soll das? Was haben die vor? Die wollen mir das
Verschwinden deiner Großmutter anhängen, das ist mir schon
klar, aber warum? Und wer... Dann verstummte er plötzlich und
sagte leise: Warte. Da draußen ist mehr als einer ... sie
unterhalten sich.
Ich höre nichts, sagte Rotkäppchen.
Komm hier her, sagte der Wolf. Eure Ohren sind gar nicht
so schlecht, wenn du dich hier hinkniest, solltest du es hören können.
Rotkäppchen kniete sich neben ihn, und tatsächlich, sie konnte
hören, wie sich zwei Männer unterhielten.
Verdammt, ich war mir sicher gewesen, die Göre würde mir
glauben, sagte die erste Stimme, die eindeutig dem Jäger gehörte.
Das hat man nun davon, dass die Kinder heutzutage Tierfilme anstatt
Märchen sehen! Sie sollte heulend nach Hause laufen und allen erzählen,
der große böse Wolf hätte ihre Oma gefressen. Statt dessen
müssen wir jetzt auch noch sie loswerden.
Das war nicht abgemacht, sagte eine zweite Männerstimme,
die Rotkäppchen nicht kannte.
Na und? Es muss sein. Das war wieder der Jäger. Ihr
wollt hier doch die neue Walddisco bauen mit Kegelbahn und Räumen
für Kaffeefahrten, oder nicht? Und die Alte will nicht verkaufen.
Ach was, der Plan war gut: Dann verschwindet eben nicht nur die Alte,
sondern auch ihre Enkelin. Das wird die Familie schon dazu bringen, auf
euer Angebot einzugehen. Und das verdammte Wolfsrudel werden wir dann
gleich auch noch los.
Neben Rotkäppchen knurrte der Wolf jetzt tief und zornig. Meine
Leute! Wir müssen hier raus! Wir müssen hier raus ... aber wie?
Wir sitzen in der Falle!
Wir könnten durch ein Fenster steigen, schlug Rotkäppchen
vor.
Und dem Kerl direkt vor die Flinte laufen? Gewehre! Harrr! Wir sitzen
in der Falle!
Wir müssten versuchen, hinter dem Haus herauszuklettern...
Klettern! Harrr! Ihr könnt klettern, ihr Affen, mit euren Händen!
Aber ich? Harrr!
Rotkäppchen fand, dass der Wolf sich benahm, als würde er gleich
in Panik gegen die Wände laufen. Offensichtlich bekam es ihm nicht,
eingesperrt zu sein. Sie bemühte sich, die Sache so zu formulieren,
dass sie besser in sein Weltbild passte.
Wie hoch kannst du springen? fragte sie. Ich meine,
aus dem Stand? Ohne Anlauf?
Springen? Augenblicklich wirkte der Wolf wieder konzentrierter.
Ich kann über dich hinwegspringen, ohne dass auch nur dein
rotes Käppchen verrutscht.
Gut, sagte Rotkäppchen, dann komm bitte mit.
Sie führte ihn ins Badezimmer, stieg auf den Toilettendeckel und
öffnete das kleine Fenster. Passt du da durch? fragte
sie.
Das will ich wohl meinen! antwortete der Wolf und wirkte erheblich
zuversichtlicher als noch vor einer Minute.
Dann klettere ich vor, sagte Rotkäppchen, und du
springst hinterher.
So machten sie es. Rotkäppchen benutzte das Rosenspalier, das ihr
Gewicht gerade eben tragen konnte, um auf den Boden zu kommen, und dann
zwängte sich der Wolf durch das Fenster. Er verlor dabei ein paar
Haare, aber er kam durch, und dann sprang er aus gut zwei Metern Höhe
auf den Boden, als wenn das gar nichts wäre.
Aber offensichtlich war ihre Flucht nicht unbemerkt geblieben. Kaum war
der Wolf neben Rotkäppchen gelandet, da stürmte der Jäger
um die Ecke. Er hatte sein Gewehr in der Hand.
Er kam allerdings nicht mehr dazu, es anzulegen. Ein sehr zorniger großer
böser Wolf sprang ihn an, und seine Zähne schlossen sich um
den Arm des Jägers, und dann gab es ein sehr hässliches Knacken,
und der Jäger schrie auf und ließ das Gewehr fallen. Der Wolf
ließ den Arm des Jägers los, aber nur, um ihn noch einmal kräftig
ins Bein zu beißen. Mit einem Aufschrei ging der Jäger zu Boden.
Rotkäppchen nutzte die Gelegenheit und schnappte sich sein Gewehr.
Fast im gleichen Augenblick kam der zweite Mann um die Ecke. Er bekam
allerdings nicht die Gelegenheit, noch irgend etwas zu tun, denn ein sehr
großer, sehr wütender Wolf sprang ihn an, riss ihn zu Boden
und blieb über ihm stehen, die Zähne an seiner Kehle.
Rotkäppchen holte tief Luft und blickte zum Jäger. Er war anscheinend
inzwischen ohnmächtig geworden. Sie trug sein Gewehr zum Geländewagen,
nahm ihr Handy und rief die Polizei.
Die Polizisten kamen und brachten gleich einen Krankenwagen für
den Verletzten mit. Sie hörten sich Rotkäppchens Geschichte
an, dann verhafteten sie den Jäger und auch den anderen Mann. Etwas
später rückte dann auch noch die Feuerwehr an, um Rotkäppchens
Großmutter aus dem alten Brunnen zu befreien, der schon lange kein
Wasser mehr enthielt und in den die Männer sie gesperrt hatten. Der
Wolf hatte sie dort aufgespürt übrigens sagte er die
ganze Zeit kein Wort, denn, wie er Rotkäppchen sehr leise erklärte
sprechen wir die Menschensprache nicht, nur manchmal zu Kindern.
Als schließlich Rotkäppchens Eltern kamen, um sie abzuholen,
verabschiedete er sich unauffällig von ihr und verschwand lautlos
im Wald.
© P. Warmann