Ich stand vor der chemischen Reinigung und wartete, dass Heike wieder
herauskam. Es dauerte, mir wurde langweilig, und ich suchte in meinen
Taschen nach etwas, das mir die Zeit vertreiben konnte. In der Jacke fand
ich eine Handvoll Eukalyptusbonbons. Ich schob mir einen in den Mund,
lutschte und betrachtete meine Umgebung.
Heike erschien an meiner Seite. Fertig, verkündete sie.
Was lutschst du?
Eukalüptusch, nuschelte ich, langte in die Tasche und
hielt ihr die Bonbons hin. Möchtest du einen?
Sie fing an zu lachen. Ich betrachtete die Bonbons in meiner Hand, die
definitiv etwas zerknickt wirkten.
Tut mir leid, sagte ich, ich trage sie schon eine ganze
Zeit mit mir herum, lose in der Jackentasche, aber sie sind einzeln eingewickelt,
daher dachte ich...
Nein, das meine ich gar nicht, unterbrach sie mich. Und
ja, ich möchte einen. Aber du würdest nie still vor dich hin
lutschen, ohne den anderen etwas anzubieten, nicht wahr? Sie nahm
sich einen der Bonbons.
Du hast Recht, gab ich mit einem Grinsen zu. Das ist
meine beinharte bürgerliche Erziehung.
Heike hatte den Bonbon inzwischen ausgewickelt und in den Mund gesteckt
und sah sich nach einem Abfalleimer um. Der nächstgelegene hing ein
Dutzend Meter weiter vor dem Supermarkt. Sie wollte darauf zusteuern,
aber ich hielt sie zurück.
Warte, ich habe eine Idee. Gib mir das Papier.
Sie sah mich fragend an, reichte es mir aber. Ich strich es glatt, faltete
es in der Mitte und legte es auf meine Hand. Dann gab ich ihm ein klein
wenig meiner Magie und pustete.
Wie ein grüner Schmetterling erhob es sich und flatterte dem Papierkorb
entgegen.
Heike lachte. Du hast großartige Ideen.
Du inspirierst mich, meinte ich und gab ihr einen Kuss.
Das Papier strebte inzwischen entschlossen seinem Ziel entgegen. Ein Windstoß
brachte es vom Kurs ab, aber es fing sich wieder. Geschickt wich es zwei
Passanten aus, erreichte den Papierkorb, setzte sich auf den Rand, schlug
noch zwei, drei Mal mit den Flügeln und stürzte sich dann in
seine Tiefen. Heike musste wieder lachen.
Ich griff in die Hosentasche, wo ich die Hülle von meinem Bonbon
verstaut hatte. Sie war zu einem kleinen Ball zusammengeknibbelt. Glattstreichen?
Aber es ist sowieso langweilig, den gleichen Trick zu wiederholen. Also
ließ ich den Ball in die Luft steigen und fügte ihm noch ein
sonores Brummen hinzu. Er sauste an Heikes Ohr vorbei, die zusammenzuckte
und wieder lachte, und schoss schnurstracks Richtung Papierkorb.
Dort allerdings stand inzwischen ein Mann. Er hatte einige Schwierigkeiten
mit einem klebrigen Eispapier, das sich nicht abstreifen ließ, besonders,
da er das Eis in der anderen Hand hielt und damit dem Abfalleimer nicht
zu nahe kommen wollte. Mit seinen einhändigen Verrenkungen blockierte
er die Öffnung.
Mein Papierknäuel setzte verärgert summend zu einigen Warteschleifen
um den Kopf des Mannes an. Aber ich hatte ihn unterschätzt: Er war
sein Eispapier losgeworden, griff blitzschnell zu und erwischte den Störenfried.
Ungläubig starrte er auf das, was er gefangen hatte.
Bonbonpapier? übersetzte ich seinen Gesichtsausdruck.
Aber es hat gesummt!
Heike kicherte. Ich hob anklagend einen Finger und sagte mit Vorwurf in
Stimme und Blick: Wirklich, es hat gesummt!
Das war zu viel. Heike bekam einen Lachanfall, und ich konnte mich auch
nicht mehr halten. Unkontrolliert lachend fielen wir uns in die Arme.
Diverse Leute kamen vorbei, betrachteten uns misstrauisch und gaben uns
dann als hoffnungslos verliebt mildernde Umstände. Als wir wieder
Luft bekamen, meinte Heike: Es hat gesummt! Oh je. Ist dir bewusst,
dass du dem Weltbild dieses armen Mannes einen schlimmen Schlag versetzt
hast?
Gut, sagte ich. Wenn nicht jemand dann und wann unser
Weltbild durchrüttelt, wie sollen wir uns dann weiterentwickeln?
Außerdem war es nur Magie.
© P. Warmann