Bemerkungen über Wale.

Mit Walen zu reden ist wirklich nicht leicht.
Delfine zum Beispiel sind ein arroganter Haufen. Versuche ihnen etwas ernsthaftes mitzuteilen, und sie unterbrechen dich spätestens im dritten Satz und erklären dir, dass sie a) von der Sache schon lange wussten und du ihnen nichts neues erzählst, sie dir b) ein paar gute Ratschläge diesbetreffend geben könnten, aber wissen, dass du sie doch nicht annehmen wirst, und sie es sich deshalb sparen, und sie sich c) mit solchen Kleinigkeiten sowieso nicht abgeben. Tja. Und das selbst dann, wenn du gerade versucht hast ihnen zu erklären, dass hier gleich ein Unterwasservulkan ausbrechen und diesen Teil des Meeres in Fischsuppe verwandeln wird.
Offensichtlich haben sie wichtigeres zu tun. Was? Nun, zum Beispiel ihre Dauerfehden mit verschiedenen Folger-Sippen, bei denen es normalerweise darum geht, wessen Urgroßvater wem eine Makrele vor der Nase weggeschnappt und dabei auch noch hämisch gelacht hat...
Die großen Wale dagegen, besonders die Bartenwale wie Blauwale und Buckelwale, aber auch Pottwale, beschäftigen sich nur mit Essen, Sex und Philosophie. So wie der typische Blauwal, der einsam seine Bahnen durch die Meere zieht und dabei mit einer Stimme, die man durch den halben Ozean hört, eine philosophische Abhandlung vor sich hingröhlt, sagen wir zum Thema 'Besteht ein Unterschied zwischen dem Sein an sich und dem Sein des Seienden?' Oder ein Buckelwal, der in zwanzig Meter Tiefe mit dem Kopf nach unten hängt und sich über das Thema 'Warum ist überhaupt etwas und nicht einfach nichts?’ auslässt. Oder ein Finnwal, der bei deinem Boot lägsseits geht und nachdenklich fragt „Ist jede 4 dieselbe 4?“ (Bei ihnen ist im Augenblick Zahlentheorie angesagt.)
Ich verstehe es ja: Da lebt ein Wesen im Meer, das ein hochkomplexes Gehirn hat, und nichts, was es damit anfangen könnte – es schwimmt im Krill und muss nur den Mund öffnen, um die Suppe zu schlürfen, und Sex ist zwar nett, beschäftigt einen Wal aber auch nur ein paar Tage im Jahr. Was also kann es tun, um nicht in tödlicher Langeweile zu enden? Es sucht sich ein paar knifflige Fragen und denkt darüber nach. Aber sie lassen sich davon nicht gerne ablenken und sind daher nicht die besten Gesprächspartner – es sei denn, man löst gerne vierdimensionale Sudoku (im Kopf, natürlich), wie es die Finnwal-Kinder tun.
Und dann sind da noch die Orcas. Was sagt man zu einem Wesen, das neun Meter lang und sieben Tonnen schwer ist, mit einem Mund voller Zähne, so lang wie der Finger eines Mannes und so scharf wie ein Steakmesser? Nun, was auch immer man sagt, man sollte es höflich tun.

© P. Warmann