Sonntagnachmittag im Garten meiner Eltern. Meine Mutter hatte den Kaffeetisch
unter der Pergola gedeckt, und meine Frau warf einen Blick nach oben zu einer
der prächtigen Rosen, deren Blüten tiefschwarz und samtig über
uns hingen.
Wie ich sehe, kümmerst du dich jetzt um die Rosen, wandte
sie sich an meinen Vater, der kühl und entspannt in seinem Korbsessel
saß.
Mir war spontan nach etwas Gartenarbeit zumute, sagte er, und
sie scheinen ja gut auf meine Bemühungen anzusprechen.
Das kann man wohl sagen, meinte ich und betrachtete misstrauisch
eine Ranke, die sich unauffällig in meine Richtung vorarbeitete. Ihre
Dornen leuchteten blutrot zwischen den tiefgrünen Blättern.
Versunkener Kirschkuchen oder Aprikose-Quark? fragte meine Mutter,
verteilte Kuchen und schenkte Kaffee ein. Ich tat etwas Sahne in meinen Kaffee,
nahm einen Schluck und betrachtete die mattschwarze Tasse mit dem Goldrand.
Das gute Porzellan? fragte ich.
Dir zu Ehren, sagte mein Vater und lächelte. Immerhin
gewinnt man nicht jeden Tag einen Designpreis für Vorbildliche
Verbindung von Form und Funktion. Er hob die Tasse anerkennend
in meine Richtung. Deine neu gestaltete Version des Herpes-Virus ist
aber auch ein echtes Schmuckstück ich habe die Elektronenmikroskop-Fotos
bewundert.
Und dann gewinnst du gegen so mächtige Konkurrenz! meinte
meine Mutter. Ich hätte eher auf das knetbare Mobiltelefon getippt,
damit können die Leute doch viel eher etwas anfangen. Ich meine, es lässt
sich in jede Form kneten, so dass es in jede Tasche passt, man braucht keine
Tasten mehr, denn alles wird über Knetfunktionen gesteuert, und kaputtgehen
kann es auch nicht was wollen sie denn noch mehr?
Es hätte mich nicht gestört, wenn sie gewonnen hätten,
sagte ich. Das Problem war, glaube ich, dass es keinen Bildschirm oder
ein anderes Display gab. Heute will doch jeder einen Touchscreen da
haben Miniatur-Knetmännchen-Animationen, die die Buchstaben hochhalten,
einfach keine Chance.
Während wir sprachen, hatte sich eine Wespe unter die Pergola verirrt
und schwirrte jetzt unentschlossen zwischen Kirsch und Aprikose-Quark hin
und her. Sie kam nicht mehr dazu, sich zu entscheiden, denn mein Vater warf
ihr einen scharfen Blick zu. Schwer getroffen stürzte sie ab und landete
leblos auf der Tischdecke. Er schnippste sie beiläufig einer der Kreuzspinnen
zu, die ihre Netze rund um seinen Sessel gespannt hatten. Das Geschenk wurde
dankbar angenommen.
Gut fand ich auch das Vergesslichkeits-Trainings-Gerät, meinte
meine Frau. Schließlich wünschen wir uns doch alle, nicht
so viel wissen zu müssen. Am Ende ist es aber nicht einmal unter den
ersten Zehn aufgetaucht. Wieso eigentlich nicht?
Als der Erfinder es der Jury vorstellen wollte, konnte sich zuerst keiner
mehr daran erinnern, wo sie es hingepackt hatten, erklärte ich.
Dann ist es irgendwie wieder aufgetaucht, aber als sein Erfinder es
vorführen sollte, wusste er nicht mehr, wie es funktionierte. Dann hat
sein Assistent es in Gange gebracht, aber nach der Präsentation konnte
sich von der Jury keiner mehr daran erinnern, ob er es schon gesehen hatte
oder wie es ihm gefiel. Daraufhin wurde es als 'nicht bewertbar' aus der Liste
gestrichen.
Wir aßen eine Zeit lang schweigend unseren Kuchen. Dann meinte meine
Frau: Ich beobachte schon die ganze Zeit die Vögel in eurem Garten.
Was lebt denn alles hier?
Oh, wir haben Amseln, Meisen, Rotkehlchen, einen Zaunkönig, Gartenrotschwänze,
Buchfinken, antwortete meine Mutter. Die meisten haben dieses
Jahr auch hier gebrütet, und es ist wundervoll dabei zuzusehen, wie der
Sperber sie alle jagt.
Während wir uns unterhielten, hatte mein Vater gedankenverloren in seinen
Kaffee gestarrt. Dieser begann jetzt sich zu kräuseln und zu zittern
und versuchte verstohlen sich über den Tassenrand davonzumachen. Mein
Vater schüttelte den Kopf, stupste ihn zurück in die Tasse und nahm
einen großen Schluck. Kann sich vor Angst kaum halten, sagte
er verächtlich. Und das will ein starker Kaffee sein!
Jetzt entschuldigt mich bitte. Die Sterne stehen richtig, die Stunde des Wolfes
naht, und ich habe im Arbeitszimmer einen Dämonen sitzen, der die Sonne
verdunkeln, das Land mit feurigem Hagel überziehen und ganz bestimmt
auch meinen Teppich ruinieren wird, wenn ich ihn bis dahin nicht in die Hölle
zurückgeschickt habe.
Er deutete eine Verbeugung an und ging. Meine Mutter schüttelte den Kopf.
So ist er immer, sagte sie. Kaum, dass er mal eine halbe
Stunde Zeit für seine Familie findet. Aber was soll man von einem Mann
erwarten, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, Bücher zu verlegen,
die den Leser lesen, wenn er nicht vorsichtig genug ist?
Wie ist es, möchte noch jemand Kuchen?
© P. Warmann