Funktionszeugs.

Die Welt ist ein seltsamer Ort und voller seltsamer Dinge. Plötzlich springt einen ein Begriff an, ein Schlagwort oder ein Konzept, und wenn man ihm folgt, führt es einen auf verschlungenen Wegen an sehr merkwürdige Orte.
Zum Beispiel die Bezeichnung ‘Funktionsjacken’. Erhältlich im Kaufhaus in der Herrenabteilung. Diese Jacken scheinen also als Jacken zu funktionieren (dass sie eine andere Funktion erfüllen würden als eben die, eine Jacke zu sein, wird nirgendwo angegeben). Da stellt sich die Frage: Sind die Jacken auf den anderen Ständern denn Jacken ohne Funktion? Es erscheint mir sowieso schwierig, sich eine nicht funktionierende Jacke vorzustellen. Wie könnte sie aussehen? Vielleicht mit zugenähten Ärmeln? Oder aus einem Stoff, der beim geringsten Versuch, sie zu tragen, in tausend kleine Fetzen zerfällt? ... Funktionsjacken ...

Die Idee eines nicht funktionierenden Kleidungsstücks ist aber nicht völlig absurd. Irgendwann, ich glaube, es war Ende der 1980er Jahre, gab es so kleine, rechteckige, gestrickte Stoffstücke, an die zwei lange, dünne Schläuche angestrickt waren. Man konnte so etwas kaufen oder nach Vorlage selber stricken. Begonnen hatte alles mit der Mode, einen Pullover über die Schultern zu legen, so dass die Ärmel vor der Brust herabhingen (erinnert sich noch jemand daran?). Und weil ein echter Pullover dazu neigt, nach hinten abzurutschen, weil für diese Trageweise das Mittelstück zu schwer und die Ärmel zu kurz sind, gab es das Imitat, das diese Nachteile nicht hatte. Im Vergleich dazu ist ein Pullover zum anziehen natürlich ein Funktionspullover.

Gehen wir von der Herrenbekleidung in die Lebensmittelabteilung und von bescheuerten Kleidungsstücken zu bescheuerten Konzepten. Wie zum Beispiel Rührei im Tetrapack oder fertiger Pfannkuchenteig in der Plastikflasche (steht beides im Kühlregal Ihres Supermarktes). Das bescheuerte daran ist, dass man beides immer noch in die Pfanne hauen und braten / backen muss. Mal ehrlich: Wenn ich in der Lage bin, den ganzen Umstand mit Pfanne rausholen, heiß werden lassen, Ei reinschütten, umrühren, fertig braten auf mich zu nehmen, dann soll es absolut zu viel Aufwand sein, vorher noch ein Ei mit Salz und Pfeffer zu verrühren?

Wo wir gerade im Supermarkt sind: Erinnern Sie sich noch an Dosenpfand und daran, wie die Getränkedosen von jetzt auf gleich aus den Regalen verschwanden? Die Aluminium produzierende Industrie sah den Markt für Wegwerfalu zusammenbrechen und – erfand flugs das Kaffeepad. So konnte sie der drohenden Müllvermeidungsgefahr erfolgreich begegnen.

Der Herbst naht, und damit die Laternenumzüge. Die klassische Papierlaterne gibt es jetzt auch mit elektrischer Kerze! Fortschritt, Sicherheit, keine Probleme mehr mit Wind, Regen oder vergessenen Ersatzkerzen (eine Batterie hält die ganze Nacht). Und man nimmt damit dem Kind jenes Gefühl von Freiheit und Abenteuer, diese Mischung aus Spannung und Stolz, echtes, lebendiges Feuer in den eigenen Händen tragen zu dürfen.
Es wende keiner ein, dass es hier um die Sicherheit geht, wie man ja auch seit Jahrzehnten schon keine echten Kerzen mehr an den Weihnachtsbaum steckt. Ein Wohnungsbrand ist lebensgefährlich und existenzbedrohend; eine abfackelnde Papierlaterne legt man in den Rinnstein, lässt sie abbrennen und lernt dabei noch etwas über die Gefahren des Feuers und den richtigen Umgang damit.

Schluss mit Kulturpessimismus und Zivilisationsmüdigkeit. Die Welt ist ein seltsamer Ort, auch voller merkwürdiger Begebenheiten und angefangener Geschichten. Wie zum Beispiel dieser: Da wache ich nachts um Zwei auf, geweckt von undefinierbaren Geräuschen von einem Nachbarhof. Dann ist alles wieder still. Plötzlich wird irgendwo ein Fenster geöffnet, und eine Männerstimme ruft: „Ich habe euch genau gesehen, und ich erwarte, dass der Kühlschrank bis morgen früh wieder genau da steht, wo er war.“
Diese Geschichte gehört Ihnen.

© P. Warmann