Bücher, die die Welt nicht braucht.
An alle, die sich überlegen, ein Buch zu schreiben: Von Büchern
dieser Art gibt es schon zu viele, zu viele schlechte, und manchmal ist schon
ein einziges davon zu viel.
- Fantasy-Sagen, angelegt auf mindestens drei Bände, in denen
das Gute und das Böse vor der entscheidenden Schlacht stehen, besonders,
wenn a) eine junge Zauberin das Schicksal der Welt in den Händen hält,
oder b) eine Gruppe von Abenteurern, darunter ein unerfahrener Junge, ein
Krieger, ein Zauberer, ein erfahrener Waldläufer und ein Dieb (zumindest
drei aus dieser Liste, jeder wahlweise auch weiblich, und einer davon ein
Witzbold) ein verschollenes Artefakt suchen muss, oder c) die Quelle des
Bösen, die in einem vergessenen Tempel versiegelt wurde, sich wieder
aufgetan hat.
Außerdem ist jedes Buch disqualifiziert, das a) pro Satz mehr als
drei leere Adjektive enthält (Während die rosafarbenen
Strahlen der langsam über den fernen Horizont aufsteigenden
jungfräulichen Morgensonne das weit hingelagerte Land
überzogen, schweifte sein sorgenvoller Blick über die friedlichen
Dörfer und die wohlbestellten Felder, und seine starke sehnige
Hand legte sich kraftvoll ...) oder b) mehr als drei Ereignisse
aus der folgenden Liste enthält: ein Überfall durch einen Drachen
oder ein Wolfsrudel in der Wildnis, ein verzaubertes Schwert mit Eigenleben,
ein Labyrinth von Gängen, das den Schatz oder einen besonderen Ort
schützt, ein uralter verfallener Tempel, die Begegnung mit einer Riesenspinne,
Zwerge, die dauernd Bemerkungen über ihre Bärte machen, eine zerbrochene
Waffe, deren Teile gefunden und neu geschmiedet werden müssen, ein
geheimnisvolles Erbstück (Schmuck, Krone, Kelch...) mit unentzifferbaren
Runen, eine schlecht gereimte Prophezeiung, ein Zauberer, der eine offensichtliche
Gandalf-Kopie ist, verwunschene Wälder, eine Welt, deren Reiche auf
einzelnen Inseln liegen oder durch geologisch sinnlose Bergketten getrennt
sind, Quellen oder Brunnen, die die Zukunft zeigen oder ein dunkler Herrscher,
der einfach nur böse ist, ohne einen nachvollziehbaren Grund dafür
zu haben.
- Kriminalromane, die in der deutschen Provinz spielen und in denen
die Lieblingsfeinde des Autors, der in diesem Kaff aufgewachsen ist, ihr
Fett wegbekommen, besonders, wenn das Buch im skandinavisch-depressiven
Stil geschrieben ist.
- Science Fiction, die vom Krieg gegen die Außerirdischen handelt,
besonders a) mit seitenlangen Schlachten im All, in denen mutige Kampfjägerpiloten
die Wende bringen, oder b) einem Angriff auf die Erde, bei dem in letzter
Minute die einzige Schwachstelle der Aliens entdeckt wird.
- Familiensagen, die die Sprache aus der Zeit zwischen Theodor Fontane
und Thomas Mann nachahmen.
- Kinderbücher a) im Eididei-Stil: ... seine Mama und
sein Papa hatten ihn ganz toll lieb. oder b) in denen irgendwelche
Feen, Glücksbärchis oder Zauberponys Konflikte aus der Welt schaffen,
indem sie Glitzerstaub auf alle streuen, die sich dann alle wieder lieb
haben, auch der böse Onkel, der einsieht, dass er beinahe alle ganz,
ganz traurig gemacht hätte.
- Thriller, die in London, New York oder Los Angeles spielen, sofern
der Verfasser diese Orte nur aus Fernsehserien kennt; insbesondere, wenn
das Thema des Thrillers entweder a) ein Schlagzeilen-Problem wie Finanzkrise,
Terrorismus oder mexikanische Drogenkartelle ist, oder b) eine junge Frau
dort ihren ersten professionellen Job antritt und auf eine Verschwörung
stößt.
- Flapsig von oben herab geschriebene Romane, in denen der Autor
die Deppenwelt um uns herum zum Verlachen preisgeben will, indem entweder
a) ein gottgleich über allem schwebender Erzähler einen zertifizierten
Oberdeppen durch sie hindurchstolpern lässt, oder b) der autobiografisch
gemeinte Ich-Erzähler als einziger Nichtdepp turmhoch über all
den Deppen thront und ihr Benehmen zynisch kommentiert.
- Irgendwas mit Vampiren, besonders Geschichten der Art a) Der
Vampir, der mich liebte, oder b) Dallas mit Fangzähnen.
© P. Warmann