Advent zum dritten.

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt ... oder auch etwas anderes. Die Vorweihnachtszeit mit ihren vielen offenen Flammen und zundertrockenen Nadelbaumzweigdekorationen bietet da viele Möglichkeiten. Nun ist es ein Leichtes, zum Beispiel ein Adventsgesteck abzufackeln, aber seien wir ehrlich: Einfach eine Kerze umwerfen kann doch jeder, und das schon seit Jahrhunderten. Die moderne Zeit bietet demgegenüber deutlich ausgefeiltere Möglichkeiten für Kerzenkatastrophen.
Wie etwa Kerzen-Gel... Zwar sind Gelkerzen inzwischen wieder etwas aus der Mode gekommen, aber in einem 1-Euro-Laden entdecke ich zwischen Weicheisen-Rohrzangenimitaten und Wegwerf-Taschenlampen auch eine Gewürz-Gelkerze. In wasserklares Kerzengel eingebettet sind Zimtstange, Sternanis und Nelken, was sehr hübsch aussieht, und ich denke mir, einen Euro sei der Spaß schon wert, besonders, da nach dem abbrennen der Kerze noch ein ziemlich schickes Echtglas-Glas zurückbleiben wird. Also kaufe ich das Teil.
Zuhause mache ich es mir gemütlich mit Gemüsetee aus dem Tee-Adventskalender – offensichtlich eine Weiterentwicklung der Früchtetee-Idee mit den Hauptbestandteilen Rote Beete und Karottenstücken – und zünde die Kerze an. Sie brennt gut, ich esse eine Clementine und vergnüge mich damit, das ätherische Öl aus der Clementinenschale in die Kerzenflamme sprühen zu lassen – dazu einfach die Schale in Flammennähe fest zusammendrücken, das Öl verbrennt, britzelt dabei heimelig und duftet sehr schön zitrus-weihnachtlich.
So genieße ich die festliche Adventsstimmung, bis mir auffällt, dass das Kerzen-Gel beim abbrennen doch sehr weich wird, so weich, dass der Docht langsam seinen Halt verliert und auf die Seite kippt. Schade, denke ich, gleich wird er untergehen und erlöschen, aber da findet er Halt am Sternanis, was eigentlich sehr schön ist, aber dann fängt der Sternanis zu brennen an, und die lodernde Flamme lässt das Kerzen-Gel noch viel schneller schmelzen, und durch das geschmolzene Gel treibt das flammende Inferno zum Glasrand, offensichtlich ist das Glas nicht wirklich feuerfest, denn es springt, ein großes Stück bricht heraus, und ein Schwall flüssiges Gel mit brennendem Docht und loderndem Sternanis schwappt auf den Tisch ... wobei das Feuer erfreulicherweise erlischt. Letzte glimmende Gewürzreste ertränke ich in Gemüsetee, und ich freue mich, dass sich das Ganze auf meiner großen Schieferplatte abgespielt hat, die ich immer unterlege, wenn ich Kerzen brenne.

Leise rieselt der Schnee ... und hüllt die Welt erst in ein zauberhaftes weißes Kleid, um sich dann in grauen Matsch zu verwandeln. Junge Menschen, die durch knöchelhohen derartigen Schneematsch in hellen Stoffturnschuhen stapfen, sind übrigens weder zu arm, sich bessere Schuhe leisten zu können, noch dumm, sondern es handelt sich um eine große rebellische Geste. Man sollte das respektieren.
Aber auch vernünftiges Schuhwerk bewahrt einen nicht immer vor Ungemach. Man sollte versuchen, auch hier allem eine positive Seite abzugewinnen, obwohl man damit nicht unbedingt so weit gehen muss wie ein guter Bekannter von mir. Er besuchte seine Schwester und ihren frisch geborenen Sohn auf der Entbindungsstation, während des Besuches ging Eisregen nieder, und als er das Krankenhaus verließ, stürzte er auf den völlig vereisten Eingangsstufen. Er brach sich den Arm, aber den erschrocken herbeieilenden Sanitätern erklärte er fröhlich: „Wie gut, dass mir das hier passiert ist, wo mir sofort jemand helfen kann!“
Das ist vielleicht wirklich etwas übertrieben positiv gedacht, aber immerhin: Vor zwei Wintern bin ich auf einer tückisch unter Schnee verborgenen Eisplatte fast gestürzt und habe mir dabei ein Band im Knie gerissen. Das klingt schlimm, war aber nur eingeschränkt unangenehm und hat erfreulicherweise die Knieschmerzen, unter denen ich schon seit Jahren sporadisch gelitten hatte (offensichtlich von dem bereits angerissenen Band) zwar radikal, aber sehr effektiv beseitigt.

Morgen, Kinder, wird’s was geben ... obwohl nicht unbedingt das, was man sich wünscht. Das gilt nicht nur für materielle Dinge, und auch die beste Planung führt nicht immer zum Erfolg. Wie ein Freund erfahren musste, der seiner Freundin, mit der er schon seit einigen Jahren zusammenlebte, am Weihnachtsabend einen Heiratsantrag machen wollte, nach der Bescherung, ganz klassisch und romantisch mit Verlobungsring und Auf-die-Knie-fallen, wie er mir erzählte. „Es hat aber nicht geklappt“, setzte er hinzu. „Oh. Warum nicht?“ „Weil sie mir einen Heiratsantrag gemacht hat, mit Ring und allem, aber vor der Bescherung.“ „Ah. Und was hast du gemacht?“ Er, trocken: „Ich habe ihn angenommen.“
Also das gleiche Ergebnis, nur andersrum, und mit zwei Ringen. Wobei ich liebend gern dabei gewesen wäre, als sie in dem ältesten und renomiertesten Juweliergeschäft der Stadt freundlich fragte: „Ich möchte meinem Freund einen Heiratsantrag machen. Welche Art von Ring schenkt man da?“

O Tannebaum, o Tannebaum ... ja, den gibt es auch noch. Vor Jahren schrieb mein Cousin uns einmal in einem ‘Danke für die Geschenke’-Brief: „Wir hatten sehr schöne Weihnachten. Mutti ist in den Weihnachtsbaum gefallen.“ In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten!

© P. Warmann